INTERVIEW

Niedrigdosis-CT zur Früherkennung von Lungenkrebs: Bedingungen, Ablauf und Herausforderungen

Seit dem 1. Juli dieses Jahres ist die Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordnung (LuK-rFrühErkV) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) in Kraft. Auf eine Lungenkrebsfrüherkennung müssen gesetzlich Versicherte jedoch noch etwas warten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet mit Inkrafttreten der BMUV-Verordnung innerhalb der nächsten 18 Monate, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Früherkennungsprogramm in die Regelversorgung der GKV aufgenommen wird. Erst dann wird die Lungenkrebsfrüherkennung als strukturiertes Programm Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen können. Im Interview erläutert Professor Jens Vogel-Claussen, wie die BMUV-Verordnung den Einsatz der Niedrigdosis-CT reguliert und welche Herausforderungen dabei zu bewältigen sind. Professor Vogel-Claussen ist an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig und als kooptiertes Mitglied im Vorstand der AG Thoraxdiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft aktiv.

Herr Professor Vogel-Claussen, am 1. Juli 2024 ist die Lungenkrebsfrüherkennungsverordnung des BMUV in Kraft getreten, die unter bestimmten Bedingungen den Einsatz der Niedrigdosis-CT zur Früherkennung von Lungenkrebs erlaubt. Für welche Personengruppen ist diese Untersuchung vorgesehen und wie wird sie durchgeführt?

Prof. Dr. Jens Vogel-Claussen, Medizinische Hochschule Hannover Ja, das ist in Deutschland das erste risikoadaptierte Screening. Es ist für Personen im Alter von 50 bis 75 Jahren vorgesehen, die eine Rauchdauer von mindestens 25 Jahren und mindestens 15 Packungsjahre haben, weniger als 10 Jahre Ex-Raucher sind, in den letzten 12 Monaten kein Thorax-CT hatten und deren medizinische Eignung von einem Facharzt für In-nere Medizin, Allgemeinmedizin oder Arbeitsmedizin bestätigt wurde. Dabei werden relevante anamnestische Daten berücksichtigt.

Es ist wichtig, vorher abzuschätzen, ob die Person eine Operation medizinisch überstehen kann und eine relevante Lebenserwartung hat, um ein Lungenkrebsfrüherkennungsprogramm sinnvoll durchzuführen. Die Details dazu müssen noch mit dem G-BA erarbeitet werden. Der qualifizierte Arzt muss den Teilnehmer zudem mündlich und schriftlich über den Nutzen der Lungenkrebsfrüherkennung informieren, einschließlich der Häufigkeit von falsch-positiven und falsch-negativen Ergebnissen, den Risiken und Belastungen bei abklärungsbedürftigen Befunden und der Gefahr der Überdiagnose und Übertherapie. Schriftlich wird auch über das Strahlenrisiko informiert.

Welche Qualifikationen müssen teilnehmende Ärztinnen und Ärzte erfüllen?

Sowohl der Radiologe als auch der qualifizierte Arzt, der den Einschluss macht, müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Der Radiologe muss Facharzt für Radiologie sein, im Jahr vor Beginn mindestens 200 Thorax-CTs durchgeführt haben und eine Fortbildung zur Lungenkrebsfrüherkennung absolvieren, die von der Deutschen Röntgengesellschaft in der AG Thorax vorbereitet wird. Zudem muss er im ersten Jahr 100 CTs und im zweiten Jahr 200 CTs durchführen, wobei der Zweitbefunder doppelt so viele CTs befunden muss. Der qualifizierte Arzt muss nachweisen, dass er das Wissen zur Lungenkrebsfrüherkennung entweder im Rahmen der Weiterbildung oder durch Fortbildung erworben hat.

Welche konkreten Anforderungen werden an das verwendete CT, an die Befundarbeitsplätze, aber auch an die Untersuchungsdurchführung und die Software zur Lungenkrebsfrüherkennung gestellt?

Der Gesetzgeber hat eine Obergrenze für die Strahlendosis festgelegt, die bei einem CTDI von 1,3 mGy (Milli-Gray) liegt, außer in Fällen, wo aufgrund der Körperstatur eine höhere Dosis notwendig ist. Interessanterweise wurde keine spezifische Obergrenze für diese höheren Dosen festgelegt. In der HANSE Studie haben wir die Dosis aufgrund der Körperstatur nur bis maximal auf 1,6 mGy erhöht, was immer noch zu einer guten Bildqualität führte. Wichtig ist, dass diese Dosisobergrenze nicht überschritten wird, um die erforderliche Bildqualität zu erreichen, die ebenfalls überprüft werden muss.

Der Gesetzgeber hat auch detaillierte Anforderungen an das CT-Gerät gestellt, wie eine isotrope räumliche Auflösung von mindestens 1 Millimeter mit adäquatem Bildkontrast. Der Radiologe darf die Bilder nicht allein, sondern nur mit Hilfe einer computerassistierten Software auswerten, die zuverlässige Detektion, Volumetrie und Berechnung der Volumenverdopplungszeit des Rundherdes gewährleistet.

Was ist dann genau bei der Befundung zu beachten? Welche Vorgaben gelten hierbei?

Ich bin sehr glücklich, dass die Deutsche Röntgengesellschaft in dieser Frage gemeinsam mit der Pneumologischen Gesellschaft, der Thoraxchirurgischen Gesellschaft und den anderen beteiligten Gesellschaften Vorschläge gemacht und die Befundstrukturierung sowie den Workflow verbessert hat. Es ist wie folgt: Wenn das CT erstellt ist, erfolgt zunächst ein Erstbefund durch einen qualifizierten Radiologen, der eine für den Lungenkrebs geeignete computerassis-tierte Detektions-Software nutzt. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen negativen, kontroll-bedürftigen und abklärungsbedürftigen Befunden. Negative Befunde zeigen keinen Verdacht auf Lungenkrebs, kontrollbedürftige Befunde erfordern eine Nachsorge innerhalb von drei bis sechs Monaten, und abklärungsbedürftige Befunde müssen interdisziplinär besprochen wer-den.

Wenn der Befund kontroll- oder abklärungsbedürftig ist, muss eine Zweitbefundung durch einen Radiologen in einem auf Lungenkrebs spezialisierten Zentrum erfolgen. Warum ist das so? Weil dann diese Fälle den Lungenkrebszentren bekannt sind und eine qualitätsgesicherte, S3-leitliniengerechte Versorgung dort auch erfolgt. Die Zweitbefundenden analysieren die Befunde ebenfalls mit geeigneter Software. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Erst- und Zweitbefunder findet eine radiologische Fallkonferenz statt, um gemeinsam einen finalen, rechtsverbindlichen Befund zu erstellen.

Eine umfangreiche Ausbildung ist also notwendig, um diese Untersuchung überhaupt durchführen zu können. Welche Möglichkeiten bietet die Deutsche Röntgengesellschaft, sich für die Lungenkrebsfrüherkennung mit Niedrigdosis-CT zu qualifizieren?

Wir arbeiten in der AG Thorax daran, auch zusammen mit den Radiologen, die an der HANSE-Studie beteiligt sind. Wir spenden relevante Lungenkrebsfrüherkennungsfälle aus der HANSE-Studie, derzeit etwa 99, die annotiert werden, um den Workflow nachzuahmen und Übungsmöglichkeiten für die Praxis zu bieten.

Es ist offensichtlich, dass die meisten Radiologen in Deutschland nicht mit der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen computerassistierten Software arbeiten und keine Erfahrung mit einem strukturierten Lungenkrebsfrüherkennungsprogramm haben. Außer in der HANSE-Studie haben auch wir noch keine Erfahrung mit der modifizierten Lung-RADS-Klassifikation, die wir in unserem Positionspapier der Deutsche Röntgengesellschaft gemeinsam mit der Pneumologischen Gesellschaft und der Thoraxchirurgischen Gesellschaft vorgeschlagen haben.
Alle Materialien, einschließlich einführender Online-Vorträge, die die wesentlichen Punkte der Verordnung und die notwendigen Werkzeuge vorstellen, werden online auf conrad verfügbar sein. Dies soll einen guten Start für die Lungenkrebsfrüherkennung vor Ort ermöglichen und die Qualifizierung sicherstellen, die für die in der Lungenkrebsfrüherkennungsverordnung geforderte Fortbildung notwendig ist.

Vorerst trägt die gesetzliche Krankenversicherung noch nicht die Kosten für diese Form der Lungenkrebsfrüherkennung. Warum eigentlich nicht? Und wird sich das in Zukunft ändern?

Wir hoffen natürlich, dass sich das in Zukunft ändert. Doch das ist das Rechtssystem, das wir haben: ein zweigleisiges System mit dem BMUV und dem G-BA. Zuerst musste das BMUV die Rechtsverordnung erlassen, die die Risikopopulation festlegt und bestimmt, wie die Durchführung und Befundung des Niedrigdosis-CTs erfolgen sollen. Jetzt hat der G-BA 18 Monate Zeit, um ein strukturiertes Programm zu beschließen und die Erstattung durch die Krankenkassen festzulegen.

Ich bin zuversichtlich, dass das gut wird. Ich wünsche mir eine ganzheitliche Lösung, die nicht nur die Erstattung für das CT, sondern auch für die computerassistierte Software-Befundung, den Zweitbefund und die Vernetzungsarbeit zwischen den Praxen und den Lungenkrebszentren umfasst. Diese neuen Wege und Workflows erfordern eine adäquate Vergütung. Auch die Hausärzte, Internisten und Arbeitsmediziner sollten für das Informationsgespräch angemessen entlohnt werden, da es Anreize geben muss, um Hochrisikopatienten in das Programm einzubinden.

Es ist also ein komplexes Unterfangen. Wie bedeutend ist es da, dass die Deutsche Röntgengesellschaft mit anderen Fachgesellschaften kooperiert?

Das hat eine sehr große Bedeutung. Wir haben bisher verbände- und fachübergreifend hervorragend zusammengearbeitet und eine belastbare gemeinsame Position im Positionspapier erarbeitet. Erstmals haben wir auch eine gemeinsame Klassifizierung der Lungenrundherde nach der modifizierten Lung-RADS-Klassifikation beschlossen, die die Erfahrungen aus der HANSE-Studie einbezieht. Ich halte es für äußerst wichtig, dass wir mit einer gemeinsamen Sprache sprechen, um zukünftig ein zentrales, einheitliches nationales Lungenkrebsfrüherkennungsprogramm zu etablieren.

Die nächsten 18 Monate sind entscheidend. Wir müssen eine einheitliche Abstimmung unter den Fachgesellschaften sicherstellen und konstruktiv mit dem G-BA zusammenarbeiten.

Sehr geehrter Professor Vogel-Claussen, haben Sie Dank für das Gespräch.

Neuer conrad-Kurs „Lungenkrebsfrüherkennung mit LDCT nach §6 LuKrFrühErkV“

Ab sofort steht Ihnen in conrad ein neues Trainingsangebot zur Verfügung, das Sie umfassend auf die Lungenkrebsfrüherkennung mittels Low Dose CT (LDCT) vorbereitet. Der Kurs besteht aus einer theoretischen Einführung und einem praktischen Übungsteil. Er ist exakt auf die Vorgaben der „Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung der Niedrigdosis-Computertomographie zur Früherkennung von Lungenkrebs bei rauchenden Personen (Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordnung – LuKrFrühErkV)" des BMUV abgestimmt.


Im praktischen Teil trainieren Sie die Befundung an einer umfangreichen Fallsammlung bestehend aus 60 Fällen (insg. 99 Studien) mit vollständigen LDCT-Datensätzen im Weichteil- und Lungenfenster und volumetrischer Quantifizierung aller relevanten Befunde, die Sie nach dem von den deutschen Fachgesellschaften für Radiologie, Pneumologie und Thoraxchriurgie empfohlenen Befundungsschema Lung-RADS mit VDT (V-Lung-RADS 2022) strukturiert bearbeiten. Markieren Sie verdächtige Bereiche direkt im Datensatz und vergleichen Sie anschließend Ihre Markierung mit der hinterlegten Expertenmarkierung. Sie erhalten ebenfalls Feedback zu Bereichen, die Sie gegebenenfalls übersehen haben, und beurteilen die Studie hinsichtlich möglicher Nebenbefunde.


Der Kurs wurde fachlich und inhaltlich gestaltet durch den Leiter der HANSE-Studie, Prof. Dr. Jens Vogel-Claussen (Medizinische Hochschule Hannover, Vorstandsmitglied der AG Thoraxdiagnostik der DRG) in Zusammenarbeit mit zwei Expertinnen aus der HANSE-Studie, Dr. Katharina May (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) und Dr. Susanne Stiebeler (Lungenklinik Großhansdorf).


DRG-Mitgliedern steht der CME-anerkannte Kurs bis zum 15.12.2024 zu einem Einführungspreis von 120,00 EUR (inkl. 7% USt.) zur Verfügung; Nutzungsdauer vorerst bis zum 31.07.2025.
Hier geht es zum Kurs.

Informationen zur Q2-Zusatzqualifizierung Lungenkrebsfrüherkennung mit Niedrigdosis-CT der AG Thoraxdiagnostik finden Sie hier.